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Rhein 2011
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Rheinfahrt

Basel - Ijsselmeer, Oktober 2011

   

Mittwoch, 12.10.2011, 16:00 Uhr, Rheinkilometer 837, hinter Xanten.

Seit Düsseldorf, wo der Rhein-Herne-Kanal in den Rhein mündet, hat der Schiffsverkehr erheblich zugenommen. Wir müssen mit unserem Boot mehrfach das Fahrwasser kreuzen, möglichst diejenige Kurve suchen, wo die Berufsschiffahrt mit ihrem größeren Wendekreis und Tiefgang nicht hinkommt. Ich fühle mich wie ein Fußgänger, der versucht, im Berufsverkehr die Stresemannstraße abseits der Ampeln zu queren. Endlich finden wir eine Lücke, wo wir von der linken auf die rechte Rheinseite wechseln können, auf eine Sandbank unterhalb des Rudervereins Rees, unserem heutigen Etappenziel, zu.

Nachdem wir ausgestiegen sind und das Boot auf die Sandbank gezogen haben, gehe ich auf die Buhne, nach den weiteren Booten Ausschau zu halten. Da sehe ich einen Zweier, der sich in eine kleine Lücke zwischen Berg- und Talfahrern drängt, um die Flußseite zu wechseln. Er schert kurz hinter einem Schubverband, der aus sechs Leichtern besteht, die von einem Herkules-Schlepper bergauf geboxt werden, aus. Dessen Heckwelle ist enorm, das Ruderboot wird erst nach oben gehoben und verschwindet dann gischtüberströmt im Wellental, ist nicht mehr zu sehen. Nur ein Kinderschrei ist plötzlich zu hören. Mir bleibt fast das Herz stehen, aber nach ein paar Minuten ist auch dieses Boot gelandet. Heraus springt auch der Junge, wohlbehalten-freudestrahlend läuft er zu seinem Papa, der mit mir im ersten Boot gesessen hatte: "Papa, Papa, das war geil, ich bin vom Rollsitz geflogen!" Das war es also, kein Angstschrei, sondern ein Freudejauchzer.

Zugetragen hat sich das auf der Rhein-Herbstfahrt des Ruderclubs Kleinmachnow-Stahnsdorf-Teltow (RC KST) bei Berlin. Ich hatte mich da angemeldet, weil ich in der Zeit unserer Zwei-Wochen-Tour auf der Donau keinen Urlaub nehmen konnte, und die Fahrt auf der Internet-Ruderbörse www.werow.com frei ausgeschrieben war. Zwei Wochen bevor es losging, kam die Anmeldebestätigung: "Anreise erfolgt am Freitag, 30.9.11 zum Ruderclub Grenzach-Whylen. Der erste der da ist, ruft da an und übernimmt den Schlüssel."

Zwanzig Leute waren wir, Alter zwischen 10 und 72, auf einander angewiesen die nächsten zwei Wochen und 885 Kilometer lang von Grenzach, kurz vor Basel bei Rheinkilometer 159 gelegen, den Rhein hinunter bis zum Ijsselmeer, einen der Mündungsarme des Flusses.

Die ersten zweihundert Kilometer kann man landschaftlich vergessen, es geht bis Karlsruhe den Rhein-Seitenkanal hinab; die naturbelassenen Nebenarme sind höchstens für Paddler geeignet. Der Rhein-Seitenkanal, französisch Grand Canal d'Alsace, ist ein Produkt des Versailler Friedensvertrages von 1919, mit dem Frankreich nicht nur den Schiffsverkehr kontrolliert, sondern auch Wasserkraft abzieht zur Stromerzeugung. An den Flusskraftwerken gibt es riesige Schleusen mit einem Hub bis zu 15 Metern. Wir werden, nachdem wir uns angemeldet haben, auch geschleust - unwillig meist, haben wir den Eindruck, aber das mag auch an der Größe der Becken liegen, die sich ja erstmal mit Wasser füllen müssen. Und es besteht die Pflicht, Rettungswesten zu tragen (wir sind in Frankreich), bei knapp 30 Grad und knallender Sonne ein zweifelhaftes Vergnügen.

Nach den drögen Kanalkilometern folgt dann aber Sahnehäubchen auf Sahnehäubchen: Speyer, Worms, Loreley, Köln. Zwischen Eltville und Boppard habe ich das Glück, mit zwei Jungens vom GTRV Neuwied im Boot zu sitzen. Sie machen die Strecke zwischen Speyer und Köln dreimal im Jahr und haben ihr eigenes Boot, einen fußgesteuerten Dreier, mit. Voller Stolz zeigen sie mir ihr Revier, lassen mich jede Burg und jedes Schloss fotografieren.

Zwischen Eltville und Boppard liegen die absoluten Highlights des Rhein: Das Binger Loch, die Engstelle, wo der Fluß das weite Tal zwischen Rheingau und Rheinhessen verläßt und mit einem scharfen Knick nach Norden in das Rheinische Schiefergebirge eintritt. Und die Loreley, ein 130 Meter hoher Schieferfelsen im Welterbe Oberes Mittelrheintal bei St. Goarshausen. Hier ist der Rhein extrem eng, und es gibt wegen der Kurven zwischen den Schiffen keine Sicht und keine direkte UKW-Sprechfunkverbindung, so dass die Regelung des Schiffsverkehrs über drei Lichtwahrschau genannte Signalstellen von Oberwesel aus erfolgt. Der Begriff ist aus dem niederländischen Wort waarschouwen = warnen abgeleitet und hat in die Seemanschaft Eingang gefunden, weil "Wahrschau" einfacher zu brüllen ist bei Gefahr im Verzug als "Sieh Dich vor!"

Mittel- und Niederrhein sind wegen der starken Strömung und dem intensiven Schiffsverkehr anspruchsvolle Gewässer. Außerhalb der Schiffs-Fahrrinne zu bleiben, um der Berufsschiffahrt aus dem Weg zu sein, ist nicht immer die Lösung, weil sich erstens auch der Binnenschiffer nicht immer an die Betonnung hält, wenn ihm sein Echolot noch genügend Wasser unter dem Kiel zeigt und zweitens außerhalb der Tonnen und Pricken Flachwasser, Sandbänke und Klippen drohen. Wir haben Glück, weil der Rhein Niedrigwasser führte, so dass die Klippen in der Regel zu erkennen sind, weil die Spitzen aus dem Wasser schauen. Wenn sie bei höherem Wasserstand überspült sind, sind sie nur zu ahnen anhand von Wirbeln oder Strudeln im Wasser.

Ich bin jedenfalls froh, als wir vor Arnheim bei Rheinkilometer 867 nach Steuerbord in die Geldersche Ijssel abbiegen und damit die Berufsschiffahrt hinter uns lassen, die hauptsächlich auf dem Nederrijn nach Rotterdam (Rheinkilometer 1000) fährt. Auf der Ijssel können wir uns noch drei Tage lang von den anstrengenden letzten Etappen auf dem Rhein erholen. Die Ijssel ist ein ruhiger Fluß, der sich bis zum gleichnamigen Meer durch die Landschaft schlängelt, mehr von Urlaub, insbesondere Camping, als Industrie geprägt. Die Rheinkilometrierung geht hier, wie in den beiden anderen Mündungsarmen Nederrijn und Waal, weiter, für die Ijssel bis 1003, wo der Fluß über das Ketelmeer weiter ins Ijsselmeer mündet, noch einmal 15 Kilometer weiter.

Mir hat die Wanderfahrt so gut gefallen, dass ich mich, kaum zurückgekehrt, für eine weitere Fahrt auf dem Rhein angemeldet habe: Zwischen Weihnachten und Neujahr. Diesmal nur die Sahnehäubchen: Es geht von Worms nach Köln. Davon im nächsten Heft.

Ulrich Rothe


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