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Weser2010
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Alsen rund

   

Bei Gammelpöhl ist Schluß. Weiß schäumt die Ostsee gegen die Südostspitze Alsens. Unser Führungsboot mit Kedde ist verschwunden. Gerade habe ich es noch hinter unserem Boot gesehen, jetzt stürmt das Meer frontal gegen uns an, unser Steuermann ist die offene See nicht gewohnt und schlingert durch die Wellen. Windstärke sechs bis acht. Unser Inrigger übernimmt Wasser und kämpft sich zentimeterweise voran. Plötzlich rennt Kedde schreiend und mit den Armen heftig winkend auf der Düne entlang: Abruch. Eine Notlandung. Der Kiesstrand ist mit größeren Steinen durchsetzt, ein kontrolliertes Landen kaum möglich. Dann knirschen die zwei Vierer mit Wucht auf den Strand, daß wir fast herauskippen. Ich halte meinen gegen die Kraft und die Wucht der Brandung und verletze mich am Knie. Derweil tragen die anderen den zweiten Vierer aus dem Wasser auf die Kiesdüne. Die Zeit dehnt sich, ehe ich erlöst und ein Boot an Land gebracht wird. Kedde hat den Braten rechtzeitig gerochen und ist mit dem Zweier zweihundert Meter vorher im Geschützten an Land gegangen...

Alsen war in den 50ern und 60ern ein traditionelles Ruderziel der Wikinger. Diesmal hatte uns der Deutsche Ruderverein Gravenstein anläßlich seines fünfundsiebzigsten Stiftungsfestes zu "Alsen rund" eingeladen. Von dort geht es an einem Montag los. Die Flensburger Förde liegt unwirklich und spiegelglatt da, die Halbinsel Holnis am Südufer, nur zwei Kilometer entfernt, verschwimmt in der kompakten grauen Wolkenwand. In dieser wattierten Stimmung halten wir uns an das Nordufer, an Brunsnis vorbei um die Halbinsel Broacker Land. Die Hügelketten und Buchten kammern die Gegend abwechslungsreich und unser Steuermann schaut verwirrt auf die Karte. Dann weitet sich die Flensburger Förde ins Meer, Ufer sind kaum noch zu erkennen, in der Ferne jenseits der Sonderburger Bucht liegt das gleichnamige Städtchen - unser Tagesziel. Dazwischen liegt ein heftiges Gewitter. Das fängt an mit dichtem Regen. Der soll uns die nächsten drei Tage treu bleiben. Dann erfaßt uns der Wind und will uns an das steinige Nordufer drücken. Unser Steuermann hält geradewegs nach Osten genau auf Sonderburg zu, die Wellen kommen steil und kurz von steuerbord und drohen, das Boot vollzuschlagen. Nur mühsam läßt der Steuermann sich davon überzeugen zu kreuzen. Die Nerven der Mannschaft liegen blank, als Blitz und Donner aufkommen. Bei dem Wetter beweist sich, warum nur ein Zweier nicht aber ein Vierer ein wahres Wanderruderboot ist. Der Zweier, eben noch hoffnungslos abgeschlagen, überholt die beiden Vierer, weil er kurz genug ist, daß er in eine Welle hineinpaßt. Die längeren Boote hingegen hängen immer zwischen anderthalb Wellen und schlingern fürchterlich.

Wir übernachten in Sonderburg bei der Germania. Direkt daneben - wie im Herzogtum Schleswig üblich - die dänische Konkurrenz. Sonderburg hat ein sehenswertes Barockschloß in eleganter rostroter dänischer Schlichtheit. Einst eine Residenz in dem Flickenteppich schleswig-holsteinischer Fürstentümer, diente es später dem dänischen Königshause, ehe die Preußen eine schnöde Kaserne daraus machten. Und so ist denn die Stadt der einzige Ort auf Alsen, dessen deutschsprachige Bevölkerungsmehrheit1920 für den Verbleib bei Deutschland gestimmt hat. Heute sprechen deren Kinder oftmals Dänisch miteinander.

Die Insel wird durch den Alsensund vom Festland getrennt. Er ist so schmal, daß man glaubt, auf einem Fluß unterwegs zu sein. Später vereinigt er sich mit der Augustenburger Förde zur breiten Alsener Förde. Es ist Dienstag. Wir haben Glück, der Regen plätschert ruhig und ohne viel Wind, als wir die Förde bei Hardeshoi überqueren und nach Dybig in der Norderharde einbiegen. Die zahlreichen Untiefen zwingen uns in der verschlungenen Bucht zu einem noch verschlungeneren Kurs. Ein Jachthafen, zwei Rudervereine im Nirgendwo, ordentlich herausgeputzt, das Restaurant für den kommenden Winter eingemottet.

Der Wind bleibt uns sehr günstig gesonnen. Schwach genug, daß wir ihm ausgesetzt um den Augustenhofer Leuchtturm und und um Alsens Nordspitze mit wenig Kreuzen herumkommen. Dahinter erfaßt uns ein richtiger Schiebewind. Die Äcker verschwinden, und die Hügel sind mit den Wäldern des Norderharder Holzes bekleidet. Die Zeit verschwindet, nach Backbord erstreckt sich das offene Meer, dahinter läßt eine Regenpause die Fünen vorgelagerten Insel Arrö erahnen. Am Horizont ziehen die Seeschiffe durch den Kleinen Belt, langsam neigt sich der Abend herab. Wir rudern meditativ. Leuchttürme warnen vor dem Ufer, dann legen wir an einem tangbedeckten Kiesstrand neben dem Hafen von Fünenhaff an. Wir haben die Insel zur Hälfte umrundet und seit Sonderburg liegen sechzig Kilometer hinter uns.

Am Mittwoch dreht der Wind auf und von Nordwest nach Südwest. Eigentlich wollen wir heute noch nach Sonderburg zurück. Kedde hat den Wetterbericht gehört und macht ein bedenkliches Gesicht. Es geht nicht mehr so leicht vorwärts wie am Vortag, aber immerhin: es geht. Trotzdem habe ich ein mulmiges Gefühl. Bald kommt der aufgelassene Fährhafen von Mummark. Mein Gefühl rät mir, am hiesigen Zeltplatz anzulegen. Wir haben aber keine Zelte dabei sondern einen Landdienst und sind dementsprechend schwerfällig. Elf Kilometer sind geschaftt, doch es sollen heute nur noch fünf weitere kommen. Dann taucht das Kap und der Leuchtturm von Gammelpöhl auf...

Der Donnerstag macht seinem Namen keine Ehre. Zwar weht der Wind immer noch frisch, doch ein heiter-blauer Himmel taucht das alsener Mosaik aus Weiden, roten Dächern, Hecken und Wäldchen in unbeschwerte Aquarellfarben. Was am Vortag unmöglich ist, gelingt jetzt mühelos. Wir erreichen den Strand von Dreihof, dort wo ein Damm Alsen mit dem vorgelagerten Kekenis verbindet. Mit vierzehn Mann Besatzung sind die schweren Inrigger schnell zum Horuphaff hinübertragen. Die Boote haben die Notlandung vom Tage zuvor gut überstanden, bis auf meines, das jetzt noch mehr Wasser zieht. Wir rudern am Nordufer von Kekenis im Windschatten entlang. Die Insel ist waldfrei und schwarz-bunt kuhbestanden, Fischreusen zwingen uns zu Umwegen, der Grund ist steinig und das Wasser so flach, daß wir fast auflaufen.

Hinter dem Ort Horuphaff fallen die Bäume des Sonderburger Holzes ins Wasser. Ein Ruderer des örtlichen Vereines meint, daß wir es trotz des Windes nach Sonderburg schaffen können. Kurz vor der Einfahrt in den Alsensund auf der Höhe des Sonderburger Jachthafens bleiben wir fast stehen. Obwohl wir rudern. Und das aus Leibeskräften. Auf dem Meer zu rudern ist so faszinierend wie kein anderes Rudern. Nur planen sollte man nicht zu detailliert, sondern genug Zeit haben. Eigentlich wollten wir es in den vier Tagen von Gravenstein um Alsen rund und wieder zurück schaffen. So schafften wir es nur irgendwie bis zum Nachmittag wieder in den Alsensund zum Bootshaus der Germania Sonderburg. Langweilig wurde uns unterwegs nie.

André Gesche


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